Mehr brasilianisches Rindfleisch importieren, obwohl der Amazonas brennt? Das Mercosur-Abkommen vom 23. August 2019 ist äusserst umstritten: Während die Maschinen- und Pharmaindustrie von besseren Exportbedingungen profitieren, sorgt das Abkommen bei Umweltschützern und den Bauernverbänden für rote Köpfe.

Worum es geht

Nachdem sich die EU bereits im Juni 2019 auf ein Freihandelsabkommen mit den vier Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) geeignet hatte, zogen die Efta-Länder Schweiz, Lichtenstein, Norwegen und Island nach. In der Angst, dass die Schweizer Wirtschaft abgehängt wird, forderte u.a. Economiesuisse im Voraus einen raschen Kompromiss. Nun profitiert vor allem die Exportindustrie von den besseren Bedingungen: Rund 95 Prozent der Ausfuhren werden dank dem Abkommen mittelfristig vollständig zollbefreit. Zuvor schotteten Brasilien und Argentinien ihre Industrien mit massiv hohen Zöllen von bis zu 35 Prozent für Maschinen ab.

Das Abkommen beinhaltet aber nicht nur tiefere Zölle für Exporteure: Im Gegenzug gewährt die Schweiz den Mercosur-Staaten jährliche Konzessionen für Fleisch, Käse, Weizen, Honig, Rotwein, Speiseöle, Futtergetreide sowie gewisse Früchte und Gemüse.

Kritik von innen und aussen

Die Einigung mit den Mercosur-Staaten stösst im In- und Ausland auf Widerstand: Die Schweizer Bauern befürchten einen massiven Druck auf die Preise von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Mit den um ein Vielfaches grösseren Landflächen und schwereren Maschinen sind die Produktionskosten von südamerikanischen Bauern bedeutend tiefer. Ausserdem kritisiert der Bauernverband, dass die Nachhaltigkeit zu wenig thematisiert wurde: Nicht nur die Tierhaltung ist in weiten Teilen bedenklich, Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat auch kurzerhand über 200 Pflanzenschutzmittel zugelassen, die in der Schweiz wegen ihrer Gefährlichkeit verboten sind.

Gleichzeitig wird befürchtet, dass das Abkommen zu mehr Rodungen führt, wenn mehr Fleisch und Soja exportiert werden kann. In diesem Fall würde nicht nur der Regenwald als grüne Lunge der Erde, sondern auch die indigene Bevölkerung leiden.

Amazonas als Brennpunkt

Seit August wüten im Amazonas die schlimmsten Waldbrände seit Jahren. Die grüne Lunge der Erde brennt. Alleine in Bolivien fiel über eine Million Hektare Regenwald dem Feuer zum Opfer. Schuld an diesen Bränden ist grösstenteils der Mensch: Um mehr fruchtbaren Boden bewirtschaften zu können, gehört das Legen von Feuer schon längst zu den gewohnten Praktiken der Bauern vor Ort. Für Kopfschütteln sorgte vor allem Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, der kurzerhand Nichtregierungsorganisationen für die Feuer verantwortlich machte.

Als Konsequenz stoppte beispielsweise Norwegen die Zahlungen in den Amazonas-Fonds zum Schutz des Regenwaldes. Weitere europäische Länder wie Frankreich und Irland drohen mit einer Blockade des Freihandelsabkommens. Und auch in der Schweiz formt sich Widerstand: Parteien wie SP und Grüne planen ein Referendum. Gleichzeitig fordert eine “Mercosur-Koalition” aus Konsumenten- und Tierschützern, Bauern- sowie Entwicklungsorganisationen, dass verbindliche Nachhaltigkeitskriterien und Tierschutz im Abkommen aufgenommen werden.

Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Und die Feuer im Amazonas wüten weiter …

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