Eine halbe Million Schafe gibt es in der Schweiz. Das Tierschutzgesetz schreibt vor, dass sie aus hygienischen Gründen mindestens einmal pro Jahr geschoren werden müssen. Viele Bauern lassen die professionellen Scherer sogar zweimal an die Wolle ihrer Tiere – jeweils im Frühling und im Herbst. Ihr Handwerk erlernen einige der Scherer in Neuseeland, wo rund 4,5 Mio. Menschen mit 30 Mio. Schafen zusammenleben. Das Scheren muss hier schnell gehen: Ein Neuseeländer braucht für ein Tier 44 Züge. Regelmässig finden auf der Insel auch Wettkämpfe im Schafscheren statt, es gibt sogar eine Weltmeisterschaft.

Die richtige Reihenfolge

Mit speziellen rutschfesten Schuhen und hautengen Kleidern befreit der Scherer ein Schaf innert 2-3 Minuten von seiner Wolle. Der Weltrekord liegt bei 44 Sekunden. Die Position und die Reihenfolge der Körperteile können dabei variieren. Eine Möglichkeit ist es, das Schaf auf den Rücken zu drehen, sodass die vier Beine in die Luft ragen. Von hinten wird zuerst der Bauch geschoren, später die Hinterbeine, die Brust, den Nacken und das Kinn, die Schultern, den Rücken und schliesslich die andere Seite. Während der Schur ist es wichtig, lange starke Striche auszuführen, eine Stelle nicht ein zweites Mal schneiden zu müssen und die Haut mit der anderen Hand stets straff zu halten. Rund 1,5 bis 2 kg Wolle fallen so bei jeder Schur pro Schaf an.

Vor dem Stall warten die Tiere, bis sie geschoren werden.
Beim Scheren spielt die Reihenfolge eine wichtige Rolle.

Viele Verwendungszwecke

Ein Privileg wohlhabender Bürger war Wollkleidung bis ins 19. Jahrhundert. Erst seit Schafwolle dank Importen aus Australien und Neuseeland in ausreichender Menge zur Verfügung steht, kann sich auch der Rest der Bevölkerung das wärmende Material leisten. Nach der Schur wird die Wolle im Ausland gewaschen und nach Farbe und Qualität sortiert. Sie wird zu Fäden gezwirbelt, zu Filz verarbeitet oder dient als natürliche Wärmedämmung.

Patenschaft für ein Lamm

Auch die Wolle von Meinrad Fässlers Schafen wird als Isolationsmaterial ins Ausland verschifft. Seine rund 100 Mutterschafe lässt er zweimal jährlich von Spezialisten scheren: Im Frühling, wenn es wärmer wird, und im Herbst, wenn sie von der Alp kommen. Der Feusisberger Bauer ist froh, dass er die Wolle nun wieder verkaufen kann, denn es gab Zeiten, in denen er für die Entsorgung der Wolle sogar bezahlen musste. Heute erhält er zwischen 30 und 90 Rappen pro Kilo – je nach Qualität. Wer seine sportlichen Schafe kennenlernen möchte, an einer Patenschaft für ein Lamm interessiert ist oder einen Tag auf dem Bauernhof verbringen möchte, ist bei Meinrad Fässler nach Voranmeldung herzlich willkommen. Hier geht’s zu seinem Profil.

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